Stirb, E-Mail, stirb!

Quelle zum Bild.

Eigentlich bin ich über den Beitrag von Claudia Klinger auf den (heutigen) Webmaster Friday gestoßen.  Zunächst hatte ich ihre Überschrift nämlich für eine ironische Art von Scherz gehalten, die da nämlich lautet: E-Mail: verlässlich, nachhaltig und unverzichtbar.  Aber das war die Aussage mitnichten, wie ich über interessierte und eingehende Lektüre des Textes erfahren durfte.

Der Inhalt in aller Kürze (bitte aber Langfassung dort nachlesen). E-Mails seien verbindlicher, was sie sehr eingängig  mit folgendem Satz unterstreicht und ergänzt:

Man könnte sagen: mit Menschen, mit denen mich ein TUN verbindet, kommuniziere ich per E-Mail.

Per E-Mail zu kommunizieren schaffe eine Art Beichtstuhlatmosphäre, die erlaube, „[t]iefer schürfende, sehr persönliche Themen komplett angstfrei zu besprechen“. Dies und alles was ihr wichtig sei, sei zudem auf der eigenen Festplatte gespeichert, die sie als Teil ihres Gedächtnisses versteht in dem sie schnell zu finden vermag, was sie - sogar vor langer Zeit - mit Menschen ausgetauscht habe. Mobil werde dieses Gedächtnis - zur Not - über die Speicherung auf Stick.

Ich stehe - nur um hier keinen falschen Eindruck zu erwecken - auch auf verlässlich - nachhaltig und unverzichtbar. Bei mir sieht dieses verlässlich - nachhaltig - unverzichtbar hingegen (gänzlich) anders aus.

Aber zunächst zu meinen E-Mail-Erfahrungen. Die sind nämlich gar unverlässlich, gar nicht nachhaltig und absolut verzichtbar. Unverlässlich insofern, als

1. ich auf die meisten (Geschäfts-)E-Mails (hausintern) sowieso keine Antwort bekomme. Das bedeutet dann meistens entweder „nein“ oder „nicht interessiert“ (Ausnahmen bestätigen die Regel!). Ist man aber selbst an einem Projekt/einem Sachverhalt/einer Frage interessiert, so ist man gut beraten zumindest zum Telefon zu greifen, besser jedoch den- oder diejenige auf dem Gang abzupassen. E-Mail? Leider bei der Masse der Anfragen und Anliegen untergegangen. 😉

2. Apropos persönlich. Von wegen „Beichtstuhlcharakter“. Da werden E-Mails munter (sofern sie von gewissem (mir oft uneinsichtigem) Interesse sind) weitergeleitet, in cc oder bcc an Hinz und Kunz (meistens die wichtigeren Hinze und Kunze) (weiter-)geschickt, auch mal nur in Auszügen weitergeleitet…. da meistens sowieso nicht bis unten gelesen. Also Persönliches würde ich unter diesen Umständen dann doch lieber auf meinem Blog verbreiten (den liest von den Hinzen und Kunzen eh‘ keiner 😉 ).

3. Die Nachhaltigkeit. Ca. alle drei Monate bekomme ich eine Systemmeldung, dass ich zuviel Platz vom vorhandenen Speicher für meine E-Mails verwende. Solange ich das nicht änderte, wäre es mir nicht erlaubt, auch nur ein E-Mail mehr zu verschicken. Ich suche also spontan und fieberhaft (da ich ja just gerade dann was rausschicken will) nach Ordnern und Unterordnern, die Projekten gewidment sind, bei denen alles gut läuft, ich mich also auf die Gutwilligkeit aller Beteiligten verlassen kann. Weg damit. Und wieder freie Fahrt für die elektronische Kommunikation.

Wie stelle ich nun diese Verbindlichkeit, diese Privatheit, diese Nachhaltigkeit, von der Claudia Klinger schreibt her, wenn nicht via E-Mail? Genau das (zumindest) versuche ich via Social Media. Wie das gehen soll?

Verbindlichkeit.
Ich sage was ich meine, dies aber in gewohnter mons-Freundlichkeit. Oder zumindest ist das was ich anstrebe. Mein Ideal. Vereinbarungen, die geregelt sein wollen, niedergeschrieben und definitv wichtig sind, lasse ich mir in Dokumentenform in die Dropbox einliefern.

Privatheit.
Privatheit ist etwas, was mit der Zeit entsteht. Über ein gegenseitiges Lesen oder Anhören von Haltung(en), über Andeutungen, über persönliche Gespräche, über zusammen Arbeiten und Zusammenarbeit. Vertrautheit und Privatheit heisst für mich „Dechiffrierbarkeit“ von Aussagen. Ob diese als Text, mündlich, sich gegenüberstehend … oder wie auch immer gemacht werden.

Nachhaltigkeit.
Nachhaltig werden diese freilich erst, indem man sie beständig betreibt. Reisst eine gute Beziehung jäh ab, weil sich die begangenen Wege auseinanderentwicklen, so knüpft man an der verbliebenen Erinnerung an, sollten sich diese eine Weile später wieder kreuzen. Nachlesen wäre hier m.E. kontraproduktiv, da man an dieser Kreuzung mit einer Persönlichkeit zu tun hat, die eben mittlerweile weitergegangen war, sich im Idealfalle weiterentwickelt hat… und die man in diesen Aspekten neu kennenlernen will. Anstatt auf Aussagen zu bestehen, die aus der Vergangenheit stammen. Stehen diese jedoch in Bezug mit den präsenten, langt mir die gefühlte Nachhaltigkeit. Nachlesen unnötig.

Aufgrund des selben Begehrs von mir also die mitnichten ironisch gemeinte Überschrift „Stirb, E-Mail stirb! Obwohl ich die andere Ansicht von Claudia Klinger so nachvollziehen kann wie schätze. Ich schätze nur, sie mailt unter anderen (Rahmen-)Bedingungen.

Einen schönen Freitag wünscht euch

die Monsi

14 Comments

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14 Responses to Stirb, E-Mail, stirb!

  1. Anntheres

    Ja, liebe Mons… Den Artikel habe ich auch gelesen und obwohl ich auch ziemlich aktiv bin im Netz - allerdings kaum Gelegenheit habe, diese Kontakte persönlich zu treffen, schätze ich meine Mailkontakte sehr.
    Diese unterscheiden sich allerdings von den Netzkontakten, die meisten von ihnen sind nicht unbedingt online.
    Auch meine organisatorischen Dinge stoße ich per Mail an, auch wenn ich nicht immer - wie von Dir auch bemerkt - sofort eine Resonanz bekomme und ab und an mal zum Telefon greifen muss, um was zu klären. Einen Austausch mit besonderen Freunden betreibe ich über Mail - denn was ich dort schreibe, würde ich nie in einem sozialen Netzwerk posten…;-) Diese Mailkontakte bestehen häufig schon über viel Jahre und sind regelmäßig bis sporadisch.
    Was ich mir aber zur Gewohnheit gemacht habe beim Mailen - ist - dass ich sofort und umgehend antworte. Das hält das Gespräch in Schwung…
    und wenn ich mal nicht sofort antworte, macht man sich Sorgen…
    So hat jeder seine lieben Gewohnheiten… jüngere Leute wie Du,
    haben sicherlich ganz andere Prioritäten…;-))
    Liebe Grüße
    von Anntheres

    • Liebe Anntheres,
      Dein Umgang mit Mail scheint ja für Dich durchaus der perfekte Weg zu sein. … von daher überhaupt kein Verbesserungsbedarf. 🙂 …. und wer hat das schon: „wenn ich mal nicht sofort antworte, macht man sich Sorgen…“.
      Aber wenn Du mal auf ketzerische Postings von mir nicht mehr antworten tätest…. dann machte ich mir auch Sorgen!
      Eine schöne Vorweihnachtszeit noch wünscht Dir
      die Mons 🙂

  2. apanat

    Mein Kommentarversuch an anderer Stelle scheiterte aus technischen Gründen. Da war der böse große Bruder Google schuld! 😉
    Doch jetzt zur Mailfrage: Berufliche Mails werden oft als Spam empfunden wie auch die Zettel im Postfach, vor allem wenn sie an mehrere gleichzeitig gehen.
    In Wikis sind Mails aber eine gute Möglichkeit, vertraulich Zusammenhänge zu erklären, die nicht auf Diskussionsseiten gehören. Natürlich werden solche Mails dann trotzdem auch mal zitiert usw.. Das ist dann aber das Problem dessen, der zitiert. Man schützt ihn. Wenn er aber auf den Schutz verzichtet, ist das seine Sache.
    „Beichtstuhlgeheimnisse“ vertraue ich weder Mails noch Priestern, sondern Vertrauenspersonen an. Die können natürlich auch IMs bei der Stasi oder etwas Entsprechendes sein. Dann habe ich den Falschen vertraut. Das ist aber schlimmer als das verratene „Beichtstuhlgeheimnis“.
    Es sei denn, man heißt Guttenberg oder … und kann zu dem, was man getan hat, nicht stehen.

  3. Danke für deine „gewohnte[…] mons-Freundlichkeit“ - mein Tag ist gerettet =D

  4. Von welcher Email wird denn gesprochen? Der privaten zur Freundin oder dem überbordenden geschäftlichen Mailverkehr?
    Ich teile die Meinung von Luis Suarez „A world without email“: http://www.elsua.net/2011/01/29/a-world-without-email-year-3-weeks-29-to-51-the-email-starvation-continues/ - Er verfolgt diese Strategie erfolgreich seit 3 Jahren und 29 Wochen!

    • Liebe Lore,
      ja, den Gedanken hatte ich zwischendurch auch mal: Schreibe ich jetzt über meine Business-Adresse… oder die private Hotmail-Adresse? … Eigentlich eher über erstere, weil bei zweiterer habe ich wieder das „Ich kann business und privat unmöglich mehr trennen“-Problem. Das mir sogar Probleme macht, es bloggend auszudrücken.
      Na ja, warte ich mal auf Weihnachten. Dann sollte ich ja genug Zeit und Muße dazu haben! 🙂
      Es grüßt vorweihnachtlich
      die MOns

  5. Hi Mons!
    Das Thema Reduzierung von (firmen-)internen Emails hat gerade bei uns begonnen, mit den Meldungen der Firma Atos, bis Ende 2013 interne Mails abzuschaffen und auch dem von Lore zitierten IBM-Mitarbeiters Luis Suarez. Hier ist der Link zu seiner Mindmap „A World Without Email“: http://www.mindmeister.com/de/56757692/a-world-without-email-email-is-where-knowledge-goes-to-die
    Ich persönlich halte nichts von einem radikalen Nie-wieder-Email-Ansatz, aber ich finde eine Reduzierung von Emails sehr wichtig und sinnvoll. Seit etwa zwei Wochen versuche ich, einige der von Suarez genannten Punkte umzusetzen: vermeinde Replys, vermeide Reply-All, nutze Chat, Telefon oder persönlichen Kontakt um zu antworten, nutze Wiki, Foren und Blogs (firmenintern!) um Informationen für alle abzulegen.
    Ich denke, dass ist der richtige Weg, um die Kommunikation von Mitarbeitern zu verbessern. Privat schreibe ich sehr selten Mails, ich habe lieber den persönlichen Kontakt. Mails beschränken sich eher auf offizielle Schreiben, zum Beispiel an Firmen.
    Zu Ellen sagte ich neulich schon: ein wenig fühle ich mich wie zu einer Randgruppe zugehörig. Social Media, das ist für die meisten meiner Kollegen, aber auch für Freunde kein Thema…es dauert wohl sehr lange, bis ein Cultural Change stattfindet…

  6. Lieber @farbensee,
    ich finde die von Dir genannten Punkte super. Mache ich ab heute auch. Allerdings bei dem „vermeinde Replys“ kam mir doch spontan der Gedanke an meine Aussage oben: „ich auf die meisten (Geschäfts-)E-Mails (hausintern) sowieso keine Antwort bekomme.“
    Heisst das vielleicht, dass meine Kolleginnen und Kollegen schon viel weiter sind als ich? Und das nur eine E-Mail-Vermeistungsstrategie (und ich hab’s nur (wieder) nicht verstanden!) 😉
    LG … und we are the Change
    monsi

  7. Hallo Monsi,
    mit Interesse hab ich über deine so ganz andere Mail-Erfahrung gelesen! Wie ich es sehe, ist dein Erleben deshalb so anders, weil du E-Mail hauptsächlich als Angestellte in einer Firma benutzt. bzw. nutzen MUSST. Und entsprechend „entfremdet“ kommt dir der gesamte Umgang damit vor.

    Wogegen ich seit ’97 als selbständige Webworkerin von zuhause aus arbeite. Die gute Hälfe dieser Arbeit ist nicht direkt Erwerbsarbeit, sondern persönliches, selbst gewähltes Tun: bloggen (in derzeit 6 Blogs), sich einmischen, mitdiskutieren über vielerlei politische, kultirelle und philosophische Themen. Und die Erwerbsarbeit für Kunden umfasst nicht bloß Webdesign, sondern durchaus auch das Handling von deren Präsenz in Blogs, sozialen Medien etc. Wollte ich da noch viel telefonieren oder chatten, könnte ich mich gar nicht mehr auf eine Arbeit konzentrieren - es ist eh schon sehr fordernd, täglich zwischen so vielen Themen und Tätigkeiten zu switchen.

    Bei alledem war und ist es mir wichtig, selbst die „Herrschaft über die Produktionsmittel“ zu haben - also z.B. eigenen Web- und Mailspace bei einem Provider, mit dem ich reden kann und der mir z.B. keine Grenzen bzg. des Mailspeichers vorgibt. Sollte ich speichertechnisch allzu sehr ausufern, bekomme ich eine Info-Mail, die mich darauf hinweist. Ganz ohne Drohungen oder technischen Einschränkungen, sondern allenfalls mit der Einladung, für 5,-Euro/Monat deutlich mehr Platz dazu zu mieten.

    Meine ganze „Mail- und Web-Karriere“ ist aus Spass an der Freude entstanden - und auch heute noch finden mich die meisten Kunden über meine Blogs, also ohne spezielle Werbung. Das heißt, der Umgang ist vom Start weg ein anderer als wenn man sich „bloß geschäftlich“ begegnet. Etliche sind im Lauf der Zeit zu Freunden geworden - und vorhandene Freunde beauftragen mich, wenn sie etwas „Webwork“ brauchen.

    Unautorisiertes Weiterleiten von Mails ist mir noch nicht begegnet, bzw. Weiterleiten findet überhaupt nur bei sehr sachlichen Infos statt, die ein Kunde z.B,. an einen Mitarbeiter weiter reicht - also voll ok.

    Bei mir gibts also keine scharfe Trennung von privat und geschäftlich - und ich wünsche mir das auch gar nicht. Firmen mit zig „Zuständigen“ mag ich gar nicht als Kunden, ich baue viel lieber Beziehungen zu Individuen auf, da ist der Umgang lockerer und der Kontakt „ganzheitlicher“. Mailen - auch mal übers Geschäftliche hinaus - gehört da einfach dazu - und macht auch heute noch richtig Freude.

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